DLT-Präsident bringt Arbeitskräfteaustausch für Tourismus ins Gespräch

Sager (im Bild 2.v.r.) reflektierte in seinem Beitrag die Folgen aus 25 Jahre Nachbarschaftsvertrag. „Die Saat, die damals gesät wurde, ist aufgegangen“, konstatierte Sager, der im Hauptamt Landrat des Kreises Ostholsteins ist. Die beiden Nationen pflegten „gute, dichte und vielfältige Beziehungen wie nie zuvor“. Insgesamt bestünden heute mehr als 1400 kommunale Partnerschaften und Kooperationen, die zum großen Teil auf Landkreisebene gepflegt würden. Dennoch befinde man sich in einer Krisensituation, so Sager. Die Migrantenzahlen seien zwar gesunken, doch die Situation in Syrien scheine sich kurzfristig nicht zu entspannen. Der Brexit werfe zudem die Frage der künftigen Zusammenarbeit auf, die nicht zu Lasten der gegenseitigen Solidarität gehen dürfe. Der DLT-Präsident zitierte in dem Zusammenhang aus einer Rede des damaligen polnischen Konsuls und heutigen stellvertretenden Botschafters der Republik Polen in Berlin, Janusz Styczek, auf dem von Bernd Hinz im Jahr 2003 in Köln organisierten Kommunalpolitischen Kongress. Styczek setzte sich in seinem Vortrag mit der künftigen Rolle beider Nationen und ihrer Beziehung auseinander. „Ihr Zustand ist nicht mehr ein Problem von rein bilateralem Charakter. Ihr Charakter wird grundsätzlich durch die Übereinstimmung oder den Mangel in der Frage der weiteren Entwicklung der europäischen Integration bestimmt.“

Es war symptomatisch, dass die Flüchtlingskrise, in deren Bewältigung die deutsche Bundesregierung die Solidarität der europäischen Partner noch immer zu gewinnen sucht, hier im Vordergrund stand. Der Vorsitzende des Convents der Landräte in der Wojewodschaft Ermland-Masuren und Landrat des Kreises Lötzen (Gizycko), eine Art Landkreistag auf regionaler Ebene, Waclaw Strazewicz, stellte fest, Polen sei gegen die Aufnahme der Flüchtlinge, man habe bereits mit Migration aus der Ukraine und Weißrussland zu tun. „Die Aufnahme der Flüchtlinge könnte Merkel die nächste Wahl kosten“, so Landrat Strazewicz (im Bild rechts: v.l. Strazewicz, Elbings Landrat Maciej Romanowski und Mühlhausens Bürgermeister Marek Misztal) zudem mit Blick auf Deutschland fest.

Einen konstruktiven Einschlag erhielt die Debatte als DLT-Präsident Sager mit Blick auf die von Nowicki skizzierten 25 Prozent Arbeitslosigkeit und das Wirtschaftspotenzial des südlichen Ostpreußens einen Austausch von Arbeitskräften zwischen Schleswig-Holstein und Ermland-Masuren im Sinne des ausgelaufenen Projekts „mobioEU“ - Umschulung, Sprachkenntnisausbau und Spezialisierung von Arbeitskräften für den Tourismus in Ermland-Masuren vorschlug. Ganz praxisnah verdeutlichte sich der Sinngehalt dieses Vorschlags in einem von Landrat Nowicki initiiertem Besuch des Johannisburger Heimatmuseums in den Kellergewölben des Rathauses – die Begleittexte zu heimathistorischen Exponaten waren meist nur in polnischer Sprache gehalten, obwohl der mit Abstand größte Anteil der Touristen aus Deutschland kommt.

Der aus Johannisburg stammende PiS-Abgeordnete Jerzy Malecki hatte in dem AKP-Auditorium keinen leichten Stand. Er verteidigte Polens Haltung zur Migrationskrise. Seine Regierung stehe für die polnische Souveränität gegen europäische Überregulierung, aber auch für eine Priorität der Sicherheitsfragen. Als vorbildliche Partnerschaft nannte der Abgeordnete die deutsch-französischen Beziehungen, wobei er mutmaßte, dass es fraglich sei, ob ein solches Niveau in den deutsch-polnischen Beziehungen zu erreichen sei.

In der anschließenden Debatte, scharf in den Argumentationen aber respektvoll in der Diskussionskultur, wurde Malecki insbesondere hinsichtlich des verfassungsrelevanten Umgangs mit der Opposition in Polen von mehreren Seiten mit Fragen stark gefordert. So hinterfragten der Polenkenner, Journalist und ehemalige Kieler NDR-Funkhausdirektor Friedrich-Wilhelm Kramer sowie Miroslaw Pampuch von der Oppositionspartei Die Moderne die Besetzung des nationalen Medienrates. Malecki zeigte sich souverän, es blieb beim Austausch der Standpunkte. Es war an Tagungsleiter Bernd Hinz immer wieder durch gezielte Moderation die Schärfe aus der Diskussion zu nehmen, zwischen den Kräften zu vermitteln und schließlich festzustellen, dass der offene aber eben auch freundschaftliche Umgang miteinander zur Diskussionskultur der AKP gehöre. Die AKP sei dankbar, dass er, Malecki, im gemeinsamen europäischen Geiste dazu beigetragen habe.

Huterer: „EU-Vertiefung für einige Staaten eher schwierig“

Manfred Huterer, der deutsche Gesandte und Stellvertreter des Botschafters in Warschau, bot in seinem Vortrag einen Auszug an Höhepunkten aus dem kulturellen und wirtschaftlichen Spektrum der deutsch-polnischen Beziehungen. Ungeachtet derer, gebe es aber auch Differenzen, etwa im Bereich der Migrationspolitik und Energie. „Das muss man aber aushalten können und beharrlich an Lösungen arbeiten. Bezüglich der europäischen Krise gab der Gesandte auch ein persönliches Statement ab. Man müsse aufpassen, dass man die EU der 27 zusammenhalte. „Eine weitere Vertiefung ist für einige Staaten derzeit eher schwierig.“ Außenpolitisch sei die Abstimmung zwischen Deutschland und Polen mit Blick auf Osteuropa von essentieller Bedeutung. Huterer deutete eine allgemeine Unterschätzung des bereits totgesagten Weimarer Dreiecks an. Seit Oktober 2015 hätten allein sechs Ministertreffen des Weimarer Dreiecks stattgefunden, es gebe eine neue Dynamik.

Eigens für den Kongress hatte der Vorsitzende der ermländisch-masurischen Landräte eine Umfrage in der Wojewodschaft durchgeführt, um ein aktuelles Bild zum Umfang der partnerschaftlichen Beziehungen widergeben zu können. Von den 19 Landkreisen seien vier noch immer ohne Partnerschaft, darunter Neidenburg (Nidzica) , Ortelsburg (Sztszyno) und Rastenburg (Ketrzyn). Die erste Partnerschaft sei 1999 der Landkreis Allenstein mit dem Kreis Osnabrück eingegangen. Gleich mehrere Partnerschaften seien auf Initiative der deutschen Minderheit beziehungsweise der deutschen Vertriebenen entstanden, darunter sei auch der Kreis Johannisburg. Die seinerzeitige Initiatorin und heutige Ehrenvorsitzende des Deutschen Freundschaftskreises Rosch, Mira Kreska, saß im Auditorium und wurde, neben dem langjährigen Kreispräsidenten des Kreises Schleswig-Flensburg, Johannes Petersen, gleich mehrfach als herausragende Persönlichkeit in der deutsch-polnischen Partnerschaftsbewegung gewürdigt.

Strazewicz, dessen Kreis Lötzen (Gizycko) einen Partnerschaftsvertrag mit Querfurt pflegt, schlug ein gemeinsames Denkmalprojekt als Symbol für die Gesamtheit der Partnerschaftsbeziehungen vor - ob mit EU-Mitteln durchführbar, sei zu prüfen.

Der Sejmabgeordnete Miroslaw Pampuch, der eine Zeit lang auch Landrat des Kreises Allenstein war, ging auf die historischen Ecksteine der deutsch-polnischen Beziehungen von Brandts Kniefall in Warschau, über Solidarnosc in Danzig und das Treffen von Mazowiecki und Kohl in Kreisau ein, ohne die die deutsche Einheit, der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag und die auch von der AKP so intensiv gepflegten freundschaftlichen Beziehungen nicht denkbar seien. Pampuch skizzierte noch einmal die ersten Schritte zwischen Allenstein-Land und Osnabrücker Land, bei denen sich der verstorbene Allensteiner Kreisvertreter und AKP-Unterstützer Leo Michalski sowie der damalige Bundestagsabgeordnete Georg Schirmbeck verdient gemacht hätten. Die Partnerschaft zwischen beiden Nationen habe den europäischen Integrationsprozess unterstützt. Doch wer hätte auf dem Kongress vor zwei Jahren gedacht, „dass wir heute den Brexit zu gegenwärtigen haben und wir in Polen über die verfassungsrechtliche Situation diskutieren und um das Recht kämpfen müssen“, fragte der Oppositionspolitiker im polnischen Sejm. „Polen braucht Deutschland, Deutschland braucht Polen und Europa braucht sie gemeinsam“, konstatierte Pampuch.

Die Vizemarschallin des Sejmiks Ermland-Masuren, Wioletta Śląska-Zyśk, bestätigte die vorherigen Berichte, nach denen vor allem die deutschen Touristen das Bild in der Region prägen. Sie berichtete den Delegierten des Kongresses über das Investitionsprogramm des Marschallamts, um der Arbeitslosigkeit zu begegnen. So würde in innovative Gründer, in die Wasserwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion sowie in die Holz- und Möbelindustrie investiert. Bei der Ausbildung nachwachsender Generationen setze man auch auf Berufsbilder mit sozialem Hintergrund. Berufsbilder, die Armut und Krankheit etwa in der ländlichen Region erforderlich machen und wie sie der Lazarus-Orden mit seinen zahlreichen und segensreich wirkenden Sozialstationen im südlichen Ostpreußen in Anstellung hat.

Auf Einladung der AKP waren die führenden Vertreter der Lazarus-Leitstation Elbing zum Kongress gekommen. Die Direktorin der Lazarus-Sozial-und Pflegeeinrichtungen in Ermland und Masuren, Frau Jolanta Golembiewska, stellte in einer Präsentation die erfolgreiche Arbeit der ab 1998 acht eingerichteten Sozialstationen vor. Im Rahmen des Kongresses dankte und verlieh der Großprior des Lazarus-Ordens Europa, Klaus-Peter Pokolm, gleich mehreren Lazarus-Pflegekräften Verdienstauszeichnungen für langjährige Betreungsdienste. Ein besonders hoher Orden wurde vom Großmeister des Internationalen Lazarus-Ordens, Don Carlos Gereda de Bourbon, Marquis de Almazan,dem langjährigen Stadtpräsidenten der Stadt Elbing verliehen, der sich um die Einrichtung und den Ausbau der Lazarus-Stationen Elbing besonders verdient gemacht hat.

Die Bedeutung der Bildung und Ausbildung hatte zuvor bereits der gastgebende Landrat Andrzej Nowicki  in seiner Begrüßungsansprache hervorgehoben. Die Arbeitslosigkeit sei zwar von 33 auf 25 Prozent gesunken, zum Teil werde aber am Markt vorbei ausgebildet. Die Region und insbesondere Johannisburg sieht Nowicki auf einem guten Weg. Sein Kreis stehe in ganz Polen auf dem zweiten Rang hinsichtlich der Investitionen aus EU-Mitteln. Man habe Energie- und andere laufende Kosten darüber deutlich reduzieren können. Das sei den europäischen Partnern zu verdanken, deren Steuergelder in den Infrastrukturausbau flössen. Ein wichtiger Erfolg sei die Verhinderung des Abbaus der Bahnlinie aus Allenstein bis Lyck gewesen. Diese ermögliche nun den Anschluss vom Flughafen Allenstein. Der sollte im laufenden Jahr wenigstens 30.000 Passagiere abfertigen, eine Zahl, die man bereits überschritten habe. Als weiteren Faktor nannte Nowicki den Verkehrsträger Wasser. Um vom Landesinnere zur Seenlandschaft Masuren zu kommen gebe es mit der Pisek nur einen Fluss, der von Nord nach Süd verlaufe. Die Nutzung bedürfe des Baus einer Schleuse, ein Thema, das man nun endlich habe auf den Weg bringen können. (Im Bild rechts: Landrat Nowicki, Landrat Romanowski und AKP-Vorsitzender Hinz (v.r.) im Johannisburger Heimatmuseum).

„Entscheidend ist der gegenseitige Wille zur Gemeinsamkeit. Ich wünsche, dass wir diesen Prozess weiterschreiben können zum Wohle beider Länder.“ AKP-Vorsitzender Bernd Hinz hatte mit diesen Worten seine Begrüßungsansprache zu Beginn des Kongresses beschlossen – nach dieser emotionalen, an Höhepunkten gespickten Tagung hätte er sie wohl auch zum Abschluss der zwei Kongresstage sagen können. Es ist genau das, was das Wirken der AKP ausmacht: der gegenseitige Wille zur Gemeinsamkeit - trotz aller Kontroversen.