2017-10-15 Kongress 2017
Lang gepflegte Dialogskultur erweist sich
auf Hambacher Schloss als tragfähig
AKP tagt im Oktober 2017 auf historischem Boden –
Hochrangige Referenten und Delegierte aus Deutschland und Polen
Von Bernhard Knapstein
So herrlich die Sonne über den Zinnen des Hambacher Schlosses auch scheinen mochte, so sehr sich die deutsch-polnische Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitische Partnerschaft (AKP) – unterstützt durch das Bundesministerium des Innern - auch um optimale Kongressbedingungen bemüht hatte, das sorgsam bereitete Umfeld war die Petrischale, in der harte Themen einer offenen Debatte zugeführt wurden.
Der Tagungsort, das Hambacher Schloss, bietet mit dem Hambacher Fest einen exzellenten Anknüpfungspunkt für gedeihliche Gespräche. So waren dann auch die Spitzenvertreter von zwölf Landkreisen, fünf Städten, Vertreter des Sejms und des rheinland-pfälzischen Landtags sowie der deutschen Minderheit und der Vertriebenenverbände nach Schloss Hambach angereist.
Hier habe Dr. Siebenpfeiffer, dem der Tagungssaal gewidmet sei, so der historische Hinweis des AKP-Vorsitzenden und Tagungsleiters Bernd Hinz, die Polen als Verbündete der Deutschen hochleben lassen. Damit habe er, Siebenpfeiffer, die Solidarität des deutschen Volkes mit den polnischen Freiheitskämpfern vom Novemberaufstand 1831 – von denen viele an dem Hambacher Fest teilgenommen hatten – bekundet.
25 Jahre Nachbarschaftsvertrag - Herausforderungen annehmen, den europäischen Geist pflegen
Der tradierte Kongress, den die Ende 2005 in Anwesenheit der Minister Dr. Wolfgang Schäuble und Dr. Thomas de Maiziere gegründete AKP alljährlich für deutsche und polnische Landräte, Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker, Diplomaten sowie Vertreter der deutschen Minderheit in Polen und verständigungsorientierte Vertreter der deutschen Heimatvertriebenen wechselseitig in Deutschland und Polen ausrichtet, sollte sich im Oktober 2017 noch einmal auf „25 Jahre Nachbarschaftsvertrag – Herausforderungen annehmen, den europäischen Geist pflegen“ konzentrieren. Das gelang auch weitestgehend, doch der jahrelange Verständigungsprozess zwischen den kommunalpolitischen Spitzenpolitikern ließ dann eben doch zu, dass aktuelle Fragestellungen zwischen Deutschland und Polen viel Raum einnahmen, beispielsweise die Gesetzesreformen in Polen, die Solidaritätsfrage in der Migrationskrise, oder polnische Reparationsforderungen gegenüber Deutschland.
Den dafür wohl wichtigsten Beitrag leistete Professor Dr. Andrzej Przylebski, der Botschafter der Republik Polen in Deutschland, der zwei Tage an dem Kongress teilnahm und das Gespräch mit deutschen und polnischen Delegierten ebenso suchte wie seine Gattin, Julia Przylebska, Präsidentin des Polnischen Verfassungsgerichts und damit eine der ranghöchsten Persönlichkeiten der Republik Polen.
Botschafter: "Dialog setzt die Bereitschaft voraus, eigene Prämissen in Frage zu stellen"
Przylebski verteidigte in einem leidenschaftlichen Vortrag die politischen Reformen Warschaus. Das polnische Volk profitiere von mehr Freiheit, so habe etwa die Bildungsreform dazu beigetragen, dass Eltern sich entscheiden könnten, ob sie ihr Kind schon mit dem sechsten oder erst mit dem siebten Lebensjahr einschulen lassen. Und auch, wenn die Kritik der Opposition und auch aus Deutschland an der Medienpolitik der PiS-Regierung sehr lautstark sei, letztlich dienten alle Reformen der Regierbarkeit des Landes. Davon profitiere auch eine Nachfolgeregierung. Einem Verfahren aus Brüssel sehe man in Warschau jedenfalls gelassen entgegen.
Viele Deutsche seien zwar begeistert vom deutsch-französischen Tandem, das Weimarer Dreieck habe aber nur für Wenige Relevanz. Zu dem polnischen Blickwinkel der polnischen Mehrheit zähle auch, dass Europa die Probleme Westeuropas in die gesunden Teile im Osten der Europäischen Union ausweiten wolle. „Echter Dialog setzt die Bereitschaft voraus, eigene Prämissen in Frage zu stellen, um eine neue Perspektive entwickeln zu können“, gab der Botschafter den Kritikern gegenüber Warschau noch eine simple Erkenntnis mit auf den Weg.
Für die deutsche Seite durchaus überraschend war der Hinweis des Botschafters, dass das Hambacher Fest von 1832, an dem neben deutschen Demokraten und Verfechtern der deutschen Einheit auch rund tausend polnische Freiheitskämpfer teilnahmen in der polnischen Bildungspolitik bisher keine Rolle spielt – zählt doch das Hambacher Fest als eines der wenigen positiven Momente der gemeinsamen deutsch-polnischen Geschichtsschreibung.
Der Dingolfing-Landauer Landrat Heinrich Trapp fragte in der anschließenden Diskussionsrunde nach den gesellschaftlich spaltenden Faktoren in der polnischen Medienpolitik, appellierte zugleich aber an die Kongressdelegierten, die Partnerschaft gerade jetzt stärker zu pflegen, während es auf den oberen Ebenen problematischer zuginge. Botschafter Przylebski entgegnete, die Meinungsvielfalt in der polnischen Medienlandschaft sei im Vergleich zu Deutschland erheblich breiter. Schleswig-Flensburgs Ehrenkreispräsident Johannes Petersen kritisierte in der Diskussion, dass erneut eine polnische Reparationsforderung auf den Tisch gepackt worden sei, die auf deutscher Seite auch auf kommunaler Ebene zu Irritationen geführt habe. Großen Raum nahm die Frage nach den gemeinsamen Werten und die Hierarchie der Werte in der Diskussion ein.
Alt-Ministerpräsident Erwin Teufel: Migrationskrise meistern, kürzere Rechtswege, schnellere Verfahren
Nach 2011 ist als weiterer Referent Alt-Ministerpräsident Prof. Dr. hc Erwin Teufel erneut der Einladung der AKP auf das Hambacher Schloss gefolgt. In seinem Redebeitrag sprach er ein großes Petitum für das Friedensprojekt Europa aus, forderte aber nach 2011 einmal mehr eine dringend gebotene Rückbesinnung auf das Subsidiaritätsprinzip. Teufel nahm die anschließende leidenschaftliche Diskussion mit den Kongressdelegierten sehr engagiert auf und ging dafür vom Rednerpult auch zu den Tischreihen des Auditoriums. Im Rahmen einer Debatte über die Migrationskrise forderte Teufel schnellere Rechtswege im Asylrechtsverfahren.
Für die Landesregierung Rheinland-Pfalz begrüßte Innen-Staatssekretär Randolf Stich die Delegierten auf dem Hambacher Schloss. Er verwies auf die erfolgreiche Viererpartnerschaft mit der Wojewodschaft Oppeln, dem französischen Burgund und dem tschechischen Nordböhmen. Die Partnerschaft erfülle den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag mit Leben.
Die erste Kreispartnerschaft des Landes Rheinland-Pfalz, so der Bad Dürkheimer Landrat Hans-Ulrich Ihlenfeld in seinem Redebeitrag, habe Bad Dürkheim geschlossen. Die größte Herausforderung sei weiterhin die sprachliche Barriere. 25 Jahre nach dem Nachbarschaftsvertrag seien die Beziehungen wieder schwieriger geworden. Ihlenfeld ging auch auf die Geschichte des Hambacher Schlosses und auf das Hambacher Fest von 1832 ein, das „nichts an seiner Aktualität verloren“ habe.
Neun Faktoren, die die deutsche Minderheit in der Entwicklung hemmen
Dr. Alexander Bauknecht, Junior-Professor der Ermländisch-Masurischen Universität Allenstein und stellvertretender Vorsitzender der Allensteiner Gesellschaft deutscher Minderheit, referierte zur Situation der deutschen Volksgruppe in Polen und ihre Situation in den deutsch-polnischen Beziehungen. In seinem Vortrag nannte er neun Punkte, die die Probleme der deutschen Minderheit markieren:
- Fehlende Aktivität der Mitglieder in den Vereinen
- Mangelnde Deutschkenntnisse - Anhaltender Polonisierungsprozess
- Schwache Übertragung kultureller Identität in der Familie
- Fehlende Eliten – nur 3,8 % haben Hochschulabschluss
- Entwurzelung durch Globalisierungsprozesse - Abnehmende Unterstützung durch die Bundesrepublik
- Seelsorge, die zu wenig den Bedürfnissen der Minderheit entspricht
- Soziale Schwäche.
Lebendige Diskussion auf und mit dem Podium
Bauknecht nahm zudem an der vom Journalisten und ehemaligen ARD-Korrespondenten in Warschau sowie zuletzt NDR-Funkhausdirektor in Kiel, Friedrich-Wilhelm Kramer moderierten Podiumsdiskussion zum Kongressthema teil und beschrieb die bisweilen merkwürdige Situation der Deutschen in Polen. „Die Bundesdeutschen erklären uns, wir seien echte Deutsche, die Polen, wir seien Polen.“ Da habe man es nicht immer leicht. Ebenfalls auf dem Podium saß der Sejmabgeordnete und ehemalige Allensteiner (Olsztyn) Landrat Miroslaw Pampuch. Pampuch, ein Exponent liberaler Ideen und freiheitlicher Wertvorstellungen, klagte, die PiS-Regierung gefährde die deutsch-polnischen Beziehungen. Etwas moderater formulierte es der Johannisburger (Pisz) Landrat Andrzej Nowicki: Was aus Warschau käme, sei nicht immer hilfreich, die Regierungspartei PiS müsse zurück an den gemeinsamen Tisch finden. Macht sei nicht für immer gegeben. Der langjährige Journalist und Innenressort-Chef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Stefan Dietrich sah die Gesetzesreformen in Polen kritisch, eine Unterwerfung der Justiz unter den Willen einer Partei sei problematisch.
Moderator Kramer erinnerte abschließend noch einmal an den Briefwechsel der deutschen und polnischen Bischöfe von 1965 und appelierte an den Tenor der Versöhnung, man dürfe das Erreichte nicht durch unbedachte Entscheidungen und durch voreilige Worte aufs Spiel setzen.
Aus dem Auditorium begrüßte der Bartensteiner Landrat Wojciech Prokocki die widerstreitende Debatte. Er erinnerte an die von Papst Johannes Paul II. vorgelebten Werte und bat den Botschafter, der sich ebenfalls umfangreich in die Diskussion einbrachte, um Unterstützung bei der kommunalen Partnerschaftsarbeit.
Nordschleswiger Prof. Hansen stellt Minority Safepack Initiative vor
Einen tiefen Einblick in die Minderheiten-Materie offenbarte Prof. Hans Heinrich Hansen in seinem Vortrag über die Brückenbauerfunktion von Minderheiten. Der ehemalige Präsident der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) und jetzige Vorsitzende des Bürgerkomitees für die Bürgerinitiative „Minority Safepack Initiative“, der der deutschen Minderheit in Dänemark angehört, hält die Minderheitenrechte in Polen grundsätzlich für gut, auch wenn der Schilderstreit und die Minderheitensprache als Unterrichtssprache eine Herausforderung darstelle. Europaweit sei aber ein deutliches Abrücken einiger Staaten von den Minderheitenrechten zu beobachten. Während in Belgien die deutsche Minderheit ein sogar politisch stabilisierender Faktor sei, die Deutschen in Dänemark durch eine Loyalitätserklärung 1947 zu Staat, Krone und Unverrückbarkeit der Grenze ihre Situation entschärfen konnten, würden im Baltikum die Russen wie Staatenlose behandelt.
Einen Einblick in das Kommunalmarketing-Konzept „Citta-Slow“ lieferte der Deidesheimer Bürgermeister Manfred Dörr. Ziel des europaweiten Konzepts sei es, in kleinen Städten durch Entschleunigung die Lebensqualität für Bewohner und Touristen zu heben – ein Konzept, dass dazu beitrage Mehrwerte zu schaffen.
Ein Grußwort übermittelte zudem aus Düsseldorf der NRW-Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales, Dr. Stephan Holthoff-Pförtner. Zur Sicherung des Erreichten in den deutsch-polnischen Beziehungen leiste die AKP-Tagung einen wichtigen Beitrag. Der Minister lud die AKP zum Ausschuss der Deutsch-Polnischen Regierungskommission ein, dem er gemeinsam mit der Lebuser Wojwodschaftsmarschallin Elzbieta Polak vorsitze.
AKP-Kongress ist wichtiger Resonanzboden für offene Debatte zwischen Deutschen und Polen
Die Delegierten des Kongresses nutzten die vielen Gelegenheiten zwischen den Vorträgen und während der gemeinsamen Mahlzeiten, die Debatten fortzusetzen oder gemeinsame Projekte für die Zukunft zu entwickeln. Nach Durchführung des inzwischen 16. Kommunalpolitischen Kongresses, davon die letzten elf unter Trägerschaft der AKP, hat sich immer stärker herauskristallisiert, dass der AKP in den deutsch-polnischen Beziehungen generell eine wichtige Funktion zukommt. Ihr Kongress hat sich als idealer Resonanzboden für offene Debatten und die wichtigen Hintergrundgespräche zwischen politischen Kräften aus beiden Ländern entwickelt.
Eine wesentliche Erkenntnis aus der Tagung ist der Umstand, dass moralische Bevormundung aus Deutschland in Polen mit hoher Sensibilität begegnet wird. Das klang auch im Vortrag des Botschafters durch. Vorträge und Debatten haben insgesamt herausgearbeitet, dass Polen sich um eine mögliche Marginalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen sorgt, und es in beiden Staaten sehr unterschiedliche Blickwinkel zu essentiellen politischen Fragen der Zeit gibt. Dies gilt es auch in Deutschland anzuerkennen.
Das Hervorheben der Errungenschaften aus 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaft ist in der aktuellen Phase entfallener Gesprächsebenen ein wichtiger Faktor zur Stabilisierung.
Die AKP hat für die Fortsetzung des Verständigungsprozesses einen Kanal offen halten können, der schon zu anderen Zeiten, gemeint ist die Regierungsphase der PO, für Vertriebenenpolitiker nur schwer zugänglich war. Die AKP steht nach wie vor in einem sehr guten Kontakt zur polnischen Spitzen-Diplomatie – über den Kongress hinaus.
AKP-Vorsitzender Hinz dankte dem Bundesinnenministerium für die Unterstützung der Maßnahme und kündigte zum Ende der Tagung an, die AKP bemühe sich für 2018 um den Tagungsort Breslau. Hinz bat die Delegierten in ihrem Beritt und ihren Netzwerken für die Veranstaltung zu werben.